Unsichtbare Gefahr oder unausweichliche Schlüsselkomponente?
In Kürze
- Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen: PFAS sind zentrale Prozesschemikalien in der Herstellung von TFT-Displays – insbesondere bei Lithografie, Reinigung und Schutzschichten.
- REACH: Regulatorische Eingriffe wie das geplante PFAS-Verbot der EU könnten zu Obsoleszenz, Lieferengpässen und erhöhtem Umstellungsaufwand führen.
- Lieferketten: Frühzeitige Analyse und strategische Planung sind entscheidend, um technologische und wirtschaftliche Risiken zu minimieren.
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Die Diskussion um PFAS – per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen – hat in den letzten Jahren enorm an Fahrt aufgenommen. Was lange als Spezialwissen für Chemiker galt, ist heute ein brisantes Thema für die gesamte Industrie geworden. Die Substanzen stehen aufgrund ihrer Umwelt- und Gesundheitswirkungen zunehmend im Fokus von Politik und Öffentlichkeit. Auch bei der Herstellung von TFT-Displays spielen PFAS eine Rolle.
Wo und warum kommen PFAS in TFT-Displays zum Einsatz?
PFAS sind eine große Stoffgruppe von über 10.000 unterschiedlichen Verbindungen. Was sie vereint: eine außergewöhnliche chemische und thermische Stabilität sowie wasser-, fett- und schmutzabweisende Eigenschaften. In der TFT-Herstellung werden sie daher in zahlreichen Prozessschritten eingesetzt.
Zum Beispiel bei der Fotolithografie, einem Kernprozess der Dünnschichttransistor-Herstellung. Hier sorgen fluorierte Tenside in Photoresists und Entwicklern für eine gleichmäßige Benetzung der Oberflächen – unerlässlich für die hohe Präzision, die moderne Displays erfordern. Auch in Reinigungs- und Ätzprozessen, bei Barriereschichten gegen Feuchtigkeit oder sogar in Flüssigkristallformulierungen selbst finden PFAS Verwendung.
Viele dieser Einsatzgebiete sind technologisch derart spezialisiert, dass kurzfristige Substitutionen nicht ohne Weiteres möglich sind. Die besondere Herausforderung: PFAS wirken oft nicht als Hauptbestandteil, sondern in Kleinstmengen – dafür aber mit entscheidender Wirkung.
Regulatorischer Druck: Das drohende PFAS-Verbot
Was die Displayindustrie besonders alarmiert, ist die zunehmende regulatorische Einschränkung. Vor allem die EU plant über die Chemikalienverordnung REACH ein weitreichendes Verbot nahezu aller PFAS – mit wenigen, zeitlich begrenzten Ausnahmen. Der Grund: PFAS sind extrem persistent, also langlebig, und können sich in der Umwelt und im menschlichen Körper anreichern.
Für Displayhersteller, Modulzulieferer und OEMs bedeutet das: Eine Vielzahl etablierter Materialien und Prozesschemikalien könnte in naher Zukunft nicht mehr zulässig sein. Wer heute ein Produkt entwickelt, das auf Komponenten mit PFAS basiert, läuft Gefahr, morgen mit Obsoleszenzproblemen oder Lieferausfällen konfrontiert zu werden.
Was bedeutet das konkret für TFT-Nutzer und Entwickler?
Die Folgen reichen tief in die Lieferkette hinein. Hersteller müssen prüfen, welche Chemikalien sie einsetzen, ob ihre Lieferanten PFAS verwenden und wie schnell Alternativen zur Verfügung stehen. Für Entwickler, die TFT-Displays in Geräten verbauen – sei es in der Medizintechnik, Industrie oder anderen langlebigen Gütern – stellt sich die Frage: Wie zukunftssicher ist die gewählte Displaylösung?
Besonders betroffen sind dabei IPS-TFTs (In-Plane Switching). Diese benötigen für ihre höhere Bildqualität und stabilen Blickwinkel in der Regel komplexere Fertigungsprozesse mit einem erhöhten Einsatz fluorierter Chemikalien – etwa in der Strukturierung der Transistorebenen oder bei den Alignment-Layern. Das macht gerade diese Displays besonders anfällig für Einschränkungen im Rahmen von PFAS-Regulierungen.
Ein besonderes Risiko ergibt sich bei langfristigen Projekten mit hohen Zertifizierungsanforderungen, etwa im Automotive- oder Industrieumfeld. Hier kann ein regulatorisch bedingter Technologiewechsel gravierende Folgen für Produkthaftung, Zulassungen und Wartbarkeit haben.
Gibt es Alternativen?
Die gute Nachricht: In Teilbereichen gibt es bereits PFAS-freie Materialien oder Entwicklungen auf dem Weg dorthin. Einige Zulieferer arbeiten an neu formulierten Photoresists ohne fluorierte Additive. Auch bei Barriereschichten und Reinigungschemikalien tut sich einiges. Dennoch ist der Weg zur vollständigen Substitution in der Displayproduktion technisch anspruchsvoll und noch nicht abgeschlossen.
Manche OEMs prüfen daher alternative Displaytechnologien wie E-Paper, AMOLED oder passive LCDs, die weniger kritische Prozesschemie erfordern. Allerdings bringen diese Technologien wiederum andere Herausforderungen mit sich – etwa bei der Lebensdauer, Energieeffizienz oder Temperaturstabilität.
Technologische Weitsicht ist jetzt gefragt
Die PFAS-Diskussion zeigt: Die Wahl eines Displays ist heute mehr denn je eine strategische Entscheidung. Wer lediglich auf Preis oder kurzfristige Verfügbarkeit schaut, riskiert, in wenigen Jahren vor technischen und regulatorischen Problemen zu stehen. Hersteller und Entwickler sollten ihre Lieferkette aktiv hinterfragen, mit Displayzulieferern im Dialog bleiben und sich über Roadmaps zur PFAS-Substitution informieren.
Langfristig wird sich die Branche bewegen müssen – hin zu nachhaltigeren, umweltfreundlicheren Technologien, die ohne Hochrisikochemikalien auskommen. Wer diesen Wandel frühzeitig mitgestaltet, sichert sich nicht nur regulatorische Sicherheit, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil im Markt.
Mehr dazu: https://www.elektronikpraxis.de/eu-will-pfas-bei-ips-und-ffs-displays-verbieten-a-1097361/